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Visual Contextualization
Gedanken zur Designforschung
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Forschung durch Design | Visual Contextualization

Willkommen im Bereich Visual Contextualization!

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Visual Contextualization und mein Verständnis von Forschung,
Lehre und Entwurfstätigkeit in der visuellen Kommunikation

Blättern Sie hier in meinem visuellen Tage- bzw. Logbuch und erfahren Sie, wie ich meinen Forschungsschwerpunkt visuelle Kommunikation, also die Kommunikation mit Bildern, Zeichen und Texten, sehe und verstehe.

Als Gestalter forsche ich in erster Linie "durch Design". Dabei kann ich aus mehreren Quellen schöpfen: sowohl aus meiner langjährigen Berufspraxis, als auch aus meiner Lehrtätigkeit an der Universität. Designforschung verstehe ich als Entwurfs- und Entwicklungsdisziplin im Rahmen der anwendungsorientierten Gestaltungs- und Entwurfswissenschaften. Meine Forschung ist somit das Design an sich.

Mein visuelles Forschungstagebuch "Visual Contextualization", in dem ich mich mit dem Sehen und den Bildern meines Alltags beschäftige, teilt sich in verschiedene Themengebiete:

  • Typografie
  • Strukturen
  • Zeichen
  • Ich weiß nicht warum
  • Erkenntnisse

Alle diese Themengebiete finden Sie in einer Bilder-Galerie dokumentiert, die Sie im oben stehenden Pull-down Menü direkt anwählen können.

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Was ist „Visual Contextualization“?

Kommen Sie mit mir auf die Jagd nach Bildern und Zeichen in unserer Umwelt. Hier in meinem visuellen Forschungstagebuch gehe ich dem ‚Sehen’ nach und sammle die Bilder des Alltags: Zeichen, Strukturen, Fragmente, Farbkombinationen. All dies erzählt mir eine formale ästhetische oder kognitive Geschichte und löst in mir Emotionen aus. Es sind visuelle Randnotizen, ein designerly Way der "Wissen schafft".

Visual Contextualization verstehe ich als eine deduktive Methode, die Bildkompetenz dokumentiert, erforscht und in kulturelles und ästhetisches Wissen umzuwandeln versteht. Visual Contextualization sensibilisiert uns für die Bildwelten des Alltags.

So wie das Reisetagebuch eines Schriftstellers nach dessen Heimkehr die Basis seines nächsten Romans bildet, so wie der Naturwissenschaftler seine Beobachtungen dokumentiert und darauf basierend seine Experimente anstellt, genauso arbeitet Visual Contextualization Relationen, Präferenzen und Kontexte heraus und macht sie deutlich sichtbar. Nachher, so die Intention, sollen die neu geschaffenen Erkenntnisse bewusst in die Designpraxis einfließen, diese verbessern und kultivieren.

Visual Contextualization ist ein Life-long-learning-Prozess, den meine Studierenden schnell anzuwenden verstehen und von dem sie immer wieder erstaunlich profitieren.

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Was „Visual Contextualization“ für die Designforschung relevant macht

Als Designer denke ich in Bildern. Bildhafte Vorstellungen und visuelle Notizen fließen bewusst oder unbewusst in meine Designpraxis mit ein. Am Anfang des gestalterischen Entwurfs entsteht zunächst ein „inneres Bild“, dass ich nur mit meinem „inneren Auge“ sehen kann. „Visual Contextualization“ ist die Bild-Kokon-Phase vor der eigentlichen Designpraxis!

In der nachfolgenden Entwicklungs- und Entwurfsphase wachsen und transmutieren dann einige dieser Bild-Kokons zu Schmetterlingen heran. Dabei formen und kontextualisieren sich vollkommen neue Bilder, Artefakte und Projekte, die zwar im Kokon genährt wurden, aber erst im Verlauf der Entwurfsphase das Fliegen lernen.

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Anschauliches Denken

Als Gestalter der visuellen Kommunikation forsche ich „durch Design“. Was mich erst zu einer Designtätigkeit befähigt, ist eine aktive Auseinandersetzung mit der Welt der Bilder, also mit der Forschung „durch das Sehen“ selbst. Gestaltung setzt eine visuelle Bild-Kompetenz voraus. Design ist so gesehen primär keine manuelle Fähigkeit, sondern anschauliches Denken.

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Ein Werkzeug, welches kulturelles und ästhetisches Wissen bildet

Ich bin erstaunt darüber, wie wenig Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Bildwissenschaften geleistet wird. In der Designpraxis besteht noch immer eine
starke Trennung zwischen den Bild-Theorie-Disziplinen (Semiotik, Ästhetik, Phänomenologie, Wahrnehmungs- und Gestaltpsychologie) auf der einen und den Bild-Praxis-Disziplinen (Design, Fotografie, Kunst) auf der anderen Seite.

Bislang fehlen uns die Werkzeuge, mit denen wir Brücken zwischen theoretischer und praxisorientierter Forschung bauen. Werkzeuge, die im Gestaltungsalltag auf experimentelle, spielerisch-intuitive und anschauliche Weise unsere Seherfahrungen in kulturelles und ästhetisches Wissen umwandeln. Visual Contextualization soll dazu beitragen, diese Lücke zu schließen, denn Bildung kann nicht erzeugt, sondern nur ermöglicht werden.

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Ein Bild sagt mehr als tausend Worte

Unser Gehirn verarbeitet die Informationen unserer Umwelt mittels zweier Systeme: dem verbal-linguistischen System und dem nicht-verbalen Empfindungs-System.

Das verbale System ist insgesamt für die sequenziellen Informationen des Hörens, Sprechens und Lesens zuständig. Das nicht-verbale System wiederum bewältigt die visuellen, akustischen, olfaktorischen und haptischen Informationen. Das nicht-verbale System arbeitet multisensorisch und ist somit, was Komplexität und Kontextvermögen angeht, das intelligentere, kognitivere und überlegenere der beiden Systeme.

Bilder treffen ständig und so schnell wie Gewehrsalven auf unser Gehirn. Diese „emotionalen Schnellschüsse“ (1 - 2,5 sec) werden im Vergleich zu Texten (ca. 7 sec) wesentlich schneller und umfassender wahrgenommen. Darüber hinaus nutzen wir bei der Bilderverarbeitung einen reichen Assoziationsschatz, der Symboliken, Informationen und Erlebniswerte enthält und so Neues verstehen hilft.

Im Gegensatz dazu werden Textinformationen in einer bestimmten Reihenfolge und Richtung erfasst: von links nach rechts, von oben nach unten. Bilder dagegen haben keinen Satzanfang, kein Komma und keinen Schlusspunkt. Sie haben kein Beginn und kein Ende, sie werden eben ganzheitlich aufgenommen.

Designer, Fotografen und Künstler wissen aufgrund ihrer Erfahrungen aus der Entwurfspraxis: „ein Bild sagt mehr als tausend Worte“.

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Den aktiven Kommunikationsprozeß anstoßen

Wie ein Betrachter ein Bild oder einen Entwurf interpretiert, hängt von seinem kulturellen und ästhetischen Wissen ab. Viele betrachten ein Bild, ohne in der Lage zu sein, dieses zu verstehen, kritisch zu analysieren, geschweige denn daraus neue Bilder zu generieren oder Vorschläge zu machen, wie das Bild verbessert werden könnte.

Bilder erwecken mehr Aufmerksamkeit und Neugierde als ein Text. Bilder geben dem Betrachter die Möglichkeit, etwas selbst zu deuten und zu begreifen. Texte hingegen unterliegen eher einem passiven Kommunikationsprozess. Sie lassen nur selten eine eigene Interpretationsmöglichkeit zu. Texte geben in der Regel etwas Gewolltes vor. Die vom Autor verfassten Gedanken sollen vom Leser so getreu wie möglich dekodiert werden.

Wir Menschen lassen bei der Betrachtung und Bewertung von Bildern unser Vorwissen und unsere Erfahrungen mit einfließen!

In der Regel lassen Bild-Informationen im Vergleich zu Text-Informationen einen wesentlich weiteren Interpretationsspielraum. Aus diesem Grund werden z.B. Piktogramme in Orientierungssystemen oftmals doppelt kodiert. Man untertitelt das Piktogramm mit dem Begriff für das es steht.

Visuelle Wahrnehmung ist also nicht objektiv, sondern subjektiv und vom jeweiligen Betrachter abhängig.

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Typografie als Bild und Emotionsträger

Das visuelle Tool, das bei dem typografischen Kodierungsprozess benutzt wird, ist die Schrift. Schrift ist rein formal-ästhetisch gesehen nichts anderes als ein Bildzeichen.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass wir Gestalter im Zusammenhang mit Typografie oftmals vom „Schriftbild“ sprechen und da Bilder bekanntlich Emotions- und Bedeutungsträger sind, macht es einen kolossalen inhaltlichen Unterschied, ob ein wissenschaftlicher Text in Times oder etwa in Comic Sans gesetzt ist. Genauso würde es an Blasphemie grenzen, die Bibel in Mambo, Rosewood oder Chinatown Sans zu setzen.

Die Schriftwahl ist, da wir eben anschaulich denken, nicht nur eine formal-ästhetische, sondern auch eine inhaltlich-rhetorisch bedeutsame Entscheidung.

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Visuelle Kommunikation ist permanente Beeinflussung

Bilder und visuelle Kommunikation beeinflussen uns als Empfänger von Botschaften permanent und lösen fortwährend bei uns ganz direkt Emotionen aus. Dadurch, dass wir über das Sehen etwa 70% unserer Umwelt wahrnehmen, wird der Sehsinn zu unserem Leitsinn.

Werbung macht sich die Vormachtstellung der Bilder und deren Wirkung zunutze. Mitunter kann diese emotionale Wirkung so stark sein, dass sie die kognitive und bewusste Kontrolle beeinträchtigt oder gar ausschaltet.

Wenn wir Konsumenten unseren gesunden Menschenverstand gebrauchen würden, dann würden wir manche beworbenen Produkte wegen ihrer verdummenden Bildsprache eher boykottieren als kaufen. Aber das Gegenteil scheint einzutreten: „Sex sells“ sei hier als Beispiel genannt. Dieses Bild- bzw. Kommunikationskonzept, dessen sich Autokalender, Parfüm und Alkoholreklame immer wieder gerne bedienen, ist ein Kassenschlager und ein trauriger Beweis dafür, dass die emotionale Wirkung von Bildern und Key-Visuals die kognitive, bewusste Kontrolle unterlaufen kann.

Aber man sollte die Werbung und die Kommunikation mit Bildern nicht im Allgemeinen verteufeln. Nicht alle Werbung will manipulieren. Im Gegenteil, Bilder haben in der visuellen Kommunikation eine positive Funktion, da sie komplexe und ganzheitliche Sachverhalte rascher, klarer und eindeutiger wiedergeben als Texte. Als Beispiel seien hier die allseits bekannten Gebrauchsanweisungen von Ikea genannt. Diese „Schaubilder“ vereinfachen komplexe Informationen und machen diese erst verständlich. Bilder wirken auch auflockernd in einer Zeitschrift oder Magazinen mit viel Text. In Bleiwüsten wirken Bilder wie Oasen, bei denen der Leser verweilen und sich ausruhen kann.

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Bilder sind verschieden wirksam

Das visuelle Material, das ich in Visual Contextualization zusammentrage, hat auch für mich primär nur eine Bedeutung. Als Designer weiß ich, dass die emotionale Wirksamkeit von Bildern und ihre Deutung sehr subjektiv ist und bei jedem Menschen verschieden ausfällt.

Ein Kunde deutet das Plakat anders als der Gestalter. Selbst unter Experten und Fachkollegen der visuellen Kommunikation herrscht das Prinzip „1 Designer, 11 Meinungen“.

Sehen ist ein aktiver Prozess, der vom Betrachter mit dessen individueller Bildkompetenz bewältigt wird. Bilder sind abhängig vom Vorwissen des Betrachters. Wie Bilder wirken und welche Rolle sie haben können, ist abhängig von folgenden Funktionen:

  • Aktivierungsfunktion: Bestimmte Bildzeichen (bspw. ein Piktogramm) rufen bei uns in erster Linie unser Vorwissen, also bekannte Konzepte und Handlungsprinzipien ab.
  • Konstruktionsfunktion: Collagen und Bildfolgen können komplexe, visuelle Konzepte darstellen. Dabei kann der Gestalter beim Betrachter bereits bekanntes Vorwissen neu kombinieren, um neues Wissen zu schaffen und neue Emotionen hervorzurufen.
  • Emotionsfunktion: Bilder können die Blickweise des Betrachters akzentuieren, Emotionen hervorrufen, bestätigen und verstärken.
  • Abstraktionsfunktion: Schaubilder, Diagramme und Infografiken tragen zum Neuerwerb von Wissen bei. Solche visuelle Modelldarstellungen müssen häufig viele, komplexe Informationen kommunizieren und diese vereinfacht, schematisiert darstellen.

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Wahrnehmung und Denken

Als Designer sehe ich mich mit dem gesellschaftlichen Vorurteil konfrontiert, dass das „Schauen vom Denken getrennt“ sei. Es herrscht die Überzeugung, dass unser Geist, wenn er sich in unserer Welt zurechtfinden soll, vor allem zwei Funktionen erfüllen muss:

  • er muss Erfahrungsmaterial sammeln (Wahrnehmung)
  • er muss Erfahrungsmaterial verarbeiten (Denken)


Dass es so etwas wie eine Intelligenz des Sehens gibt, wird von vornherein ausgeschlossen! Sehen und Gestalten, künstlerische Tätigkeiten wären demzufolge keine Denk- bzw. Wissenschaftsdisziplinen, sondern lediglich niedere, manuell-handwerkliche Disziplinen!

Das Misstrauen und die Unterdrückung gegenüber der visuellen Wahrnehmung, das Sehen an sich und des Bildes gehen bis weit in die Antike zurück. Das jüdische Bilderverbot und die Zerstörung des Goldenes Kalbes durch Moses, welches mit Feuer zerschmelzt, zu Pulver zermahlen, auf Wasser gestäubt und den Kindern Israels zu trinken gegeben wurde, ist nur ein Beispiel von vielen. Ein anderes Beispiel ist der moslemische Kulturkreis, welcher zu den „bilderlosen Kulturen“ gezählt wird. Bilder kommen in der Kommunikation so gut wie gar nicht vor, stattdessen werden Muster und Symbole verwendet.

Die griechischen Philosophen haben die Vorherrschaft des Geistes gegenüber der visuellen Wahrnehmung manifestiert. Sie haben die Weichen dafür gelegt, dass diese Weltanschauung in die didaktische Schulbildung einfloss und somit Teil unseres heutigen gesellschaftlichen Weltbildes wurde. Platon warnte eindringlich vor der visuellen Wahrnehmung, da sie den Menschen in die Irre leiten könne. Als Belege hierfür wurden unter anderem optische Täuschungen angeführt. Dem Geist und der Ratio sei es vorbehalten die „Wahrheit“ zu erkennen. Auch den bildermachenden Tätigkeiten, also der Malerei und der Bildhauerei, stand Platon feindlich gegenüber. Die bildenden Künste seien mit Vorsicht zu behandeln, da sie die Irreleitung der puren Erscheinung der Dinge bestärke.

Diese Weltanschauung floss dann über mittelalterliche Denker, wie Duns Scotus, direkt in die Philosophie der Rationalisten des 17. und 18. Jahrhunderts ein. Diese stempelten die Sinnesbotschaften als verworren ab und manifestierten, dass es des Geistes bedürfe, um sie zu klären. Diese These führte zum Ausschluss der bildenden Künste aus den 7 freien Künsten des Mittelalters ‚ (so genannt weil sie allein des freien Menschen würdig sind). Diese 7 freien Künste haben allesamt mit der Sprache oder der Mathematik zu tun.
Sprache: Grammatik, Dialektik, Rhetorik
Mathematik: Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik

Das die Musik ins humanistische Bildungssystem des späten Mittelalters mit einfloss, hat natürlich mit Platon zu tun, der in der Musik eine mathematische Ordnung sah, die auf der Harmonie des Kosmos beruhe und somit jenseits der Sinne liege.

Den freien Künsten untergeordnet standen die mechanischen Künste: die Malerei, die Bildhauerei, dass Handwerk und die Hausarbeit.

Auch heute noch basiert die gesamte Erziehung auf dem Wort und der Zahl. Die Kunst bzw. das Gestalten mit Bildern wird als pure manuelle Geschicklichkeit betrachtet. Die bildenden Künste, das Gestalten und die Ausformung von Bildern werden im Schulunterricht vernachlässigt, da diese Tätigkeiten auf den Sinneswahrnehmungen beruhen. Wahrnehmung wird bis heute gering geschätzt, weil sie angeblich kein Denken erfordert.

Das Sehen und Gestalten, Kunst und Design sind aber primär keine manuelle Fähigkeiten, sondern anschauliches Denken. Die Folge ist, dass Studienanfänger in den Bildpraxisdisziplinen: Design, Fotografie, Kunst zumeist Autodidakten sind und teilweise groß Bildungsdefizite aufweisen, was ihre Bildkompetenzen betrifft. Dabei ist ihnen kein Vorwurf zu machen. Wo sollen sie diese Kompetenzen systematisch und methodisch beigebracht bekommen. Lesen, Schreiben und Rechnen wird von Kindesbeinen in der Schule geübt und trainiert. Aktives Sehen, anschauliches Denken und das Generieren von Bildern jedoch nicht.

Aber diese Sichtweise ist vorsintflutlich und falsch. Wir leben heute in einer hochkomplexen und von den Medien dominierten Welt und werden ständig von Bildern überflutet. Nicht nur Experten und Werbung gestalten heute Bilder, sonder auch Privatpersonen veröffentlichen Bilder. Am Computer gestaltete und manipulierte Bilder, Illustrationen und Infografiken werden heute von Jedermann und von allen Altersgruppen ins Internet gesetzt. YouTube, Facebook, Twitter und Internetblogs sind nur ein Beispiel von vielen. Eine ausgezeichnete Bildkompetenz sollte heute nicht nur in den Bild-Praxis-Disziplinen Design, Fotografie und Kunst vorhanden sein, sondern Teil der Allgemeinbildung werden. Bildkompetenzen sind genau so wichtig, wie das Lesen, Schreiben und Rechnen.

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„Visual Contextualization“ ist Trainigsraum der Bildkompetenz

So wie wir unsere Sprachkompetenz trainieren, müssen wir auch unsere Bildkompetenz trainieren. Mir ist es wichtig, intuitive Bildkompetenz durch Sammeln und Dokumentieren im Alltag bewusst zu machen. Dazu nutze ich Visual Contextualization in meiner Forschungs- und Lehrtätigkeit und versuche, die historisch und gesellschaftlich gewachsenen Bilddefizite zu schließen.

Intuition spielt in allen wissenschaftlichen Disziplinen eine bedeutende Rolle und häufig steht Intuition am Beginn eines Forschungsvorhabens. Intuitives, spontanes Handeln verstehe ich als Gegenteil von methodischem Handeln. Insofern ist Visual Contextualization für mich ein Konzept und eine Anleitung zum anschaulichen Denken. Es geht mir hierbei um eine anschauliche Erfassung der Dinge durch die visuellen Erfahrungen unserer Alltagskultur.

Welche Rolle spielt dabei das anschaulich, bildlich vermittelte Wissen in der Erfahrung unserer Welt? Wie können wir unsere visuelle Kompetenz durch das Sehen selbst vervollkommnen, damit wir auch Hochkomplexes besser kommunizieren können? Die sinnliche Wahrnehmung und insbesondere die visuelle Wahrnehmung sind Kompetenzen, die sowohl erkenntnistheoretisch, als auch gestaltungspraktisch von großer Bedeutung sind. Die Philosophie hat bereits seit langem den erkenntnistheoretischen Wert der sinnlichen Wahrnehmung erkannt: „Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen war“ (John Locke, 1704).

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Designforschung durch akitves Sehen

Die Meinung, dass das Schauen vom Denken getrennt ist bzw., dass Design, Kunst, Gestalten und Denken auf einer anderen, unerklärlichen Ebene funktionieren, ist leider immer noch unter Designern und Künstlern weit verbreitet. Dass Design und Kunst Forschung sind, wird von vielen „Kreativen“ als absurd betrachtet: „Wir Designer forschen doch nicht, wir gestalten lieber...".

Viele Gestalter bezeichnen und beschreiben ihre Kompetenzen nicht als Denk- bzw. Intelligenzleistung, sonder als Talent, Begabung, (göttliche) Gabe, oder nüchtern als Vererbung.

Gestalter sind oftmals Opfer ihrer eigenen historisch und gesellschaftlich gewachsenen Vorurteile. Designer degradieren sich selbst, da sie dem Sehen, und der formalästhetischen Formgebung die Intelligenz absprechen. Den künstlerischen Fähigkeiten haftet etwas Mysteriöses an ...