24 Schwarzdrosseln

Wer ist der Unbekannte?


Etwa drei Wochen waren vergangen, als Hercule Poirot und Bonnington einander zufällig in der Untergrundbahn wiedertrafen. Sie nickten einander zu, während sie sich an den nebeneinander hängenden Gurten festhielten und von einer Seite zur anderen schwankten. Am Piccadilly Circus stiegen sehr viele Leute aus. Die beiden fanden zwei Sitzplätze im vorderen Teil – es war eine ruhige Ecke, weil hier niemand ein– noch ausstieg. „So ist es besser“, sagte Mr. Bonnington. „Die Menschen sind doch ein egoistisches Volk. Du kannst sie bitten, nach vorn zu gehen, so oft du willst, sie tun es einfach nicht!“
Hercule Poirot zuckte die Achseln.
„Was kannst du nun tun?“, fragte er. „Das Leben ist zu unsicher. .“
„Da hast du Recht. Heute lebst du, und morgen bist du vielleicht schon tot“, sagte Mr. Bonnington ein wenig trübsinnig, aber doch genießerisch. „Und weil wir gerade davon sprechen, fällt mir etwas ein. Erinnerst du dich noch an den alten Knaben, den wir im „Gallant Endeavour“gesehen haben? Ich würde mich nicht wunder, wenn er schon in ein bessere Welt verschwunden wäre. Seit einer Woche hat er sich nicht mehr sehen lassen. Molly macht sich darüber ziemliche Sorgen.“

Hercule Poirot saß plötzlich aufrecht. Es blitzte in seinen grünen Augen.
„Ist das Wahr?“, fragte er. „Bist du sicher?“
„Erinnerst du dich, dass ich gemeint hatte, er sei zu einem Arzt gegangen und der hätte ihm eine bestimmte Kost verschrieben? Die Sache mit der Kost war natürlich Blödsinn, aber ich würde mich nicht wundern, wenn er wegen seiner Gesundheit wirklich zum Arzt gegangen wäre und der ihm etwas gesagt hätte, was ihn völlig aus dem Gleichgewicht brachte. Das würde erklären, warum er irgendwelche Gerichte von der Karte bestellte, ohne zu merken, was er eigentlich tat. Sehr wahrscheinlich hat ihn der Schock zu einem noch früheren Zeitpunkt aus dieser Welt befördert, als ohnehin vorgesehen war. Die Ärzte sollten sich genauer überlegen, was sie sagen.“

„Im Allgemeinen tun sie das“, antwortete Poirot.
„Ich muss hier aussteigen“, sagte Mr. Bonnington. „Auf Wiedersehen. Glaube bloß nicht, dass wir jemals erfahren, wer der alte Knabe war. Nicht einmal seinen Namen werden wir erfahren. Die Welt ist doch komisch.“ Er eilte aus dem Wagen.
Hercule Poirot saß grübelnd da. Es sah so aus, als hielte er die Welt nicht für so komisch. Er ging nach Hause und gab George, seinem Diener, einige Anweisungen.
Kurze Zeit darauf fuhr Hercule Poirot mit dem Finger eine Liste entlang, die den Namen aller kürzlich Verstorbenen in einem bestimmten Stadtteil enthielt. Plötzlich hielt sein Finger inne.
Gascoigne, 69. Ich sollte es zunächst mal mit ihm versuchen.“

 

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