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Symptom Design. Dinge, Zeichen und ihre WirkungenAm 14. und 15. Mai 2012 findet in Bozen an der Fakultät für Design und Künste die internationale Konferenz Symptom Design. Dinge, Zeichen und ihre Wirkungen statt.

Ohne Zweifel, Design ist heute mehr denn je Symptom der Gegenwartskultur. Kein Ding und keine Oberfläche, die heute nicht von einem Designer gestaltet wären. Design spannt alles und jeden in ein dichtes Netz von mehr oder weniger subtilen Beziehungen, witzigen Anspielungen und ironisch-hintergründigen Verweisen. Im Design zeigt sich die Gesellschaft, wie sie ist, aber auch wie sie sein will, es zeigen sich das Wissen, die Wünsche, Begierden und unterdrückten Sehsüchte nicht weniger wie die Neurosen und psycho-logischen Abgründigkeiten. 


Die Frage ist aber: Was genau zeigt denn das Design? Und wie wird es gezeigt? Was wird kommuniziert und wie? Immer wieder wird auf den Sprachcharakter von Architektur und Design verwiesen, dass sie quasi wie Sprache funktionierten. Aber ist das wirklich so? Wird man damit den Dingen und ihrer Wirkungs-weise gerecht? Im Gegensatz zur Sprache haben die Zeichen in Architektur und Design auch eine starke materielle und räumliche Präsenz. So dass man mit Charles S. Peirce drei verschiedene Ebenen des Zeichens unter-scheiden kann: eine materielle, eine singulär-situative und eine allgemein-typologische Ebene. 


Heute muss man jedoch feststellen, dass im Gefolge des linguistic turn der 60er Jahre nach wie vor ein sehr reduktionistischer Zeichen-begriff vorherrscht, der in strukturalistischen Modellen wurzelt. Damals wurde das sprach-liche Zeichenmodell auch auf die Welt der materiellen und räumlichen Dinge übertragen. Die linguistische Semiologie (Ferdinand Saussure) wurde zur Universalwissenschaft, zur wissenschaftlichen Doktrin, die auch die Architektur und das Design einholte. So dass man berechtigterweise von einem „linguis-tischen Imperialismus“ (Stjernfelt/De Landa) sprechen kann. Denn die postmodernen oder poststrukturalistischen Sprachspiele in Archi-tektur und Design waren ja nur dadurch möglich, dass man die architektonischen Zeichen von ihrer materiellen Substanz trennte, dass man sie entmaterialisierte, was erlaubte, sie aus ihrem konkreten Kontext zu lösen und damit – sprachlichen Zeichen ähn-lich gemacht – für beliebige Neukonnotie-rungen verfügbar zu machen.


Sicherlich, Zeichen in Architektur und Design können im Sinne des linguistischen Stell-vertretermodells – aliquid stat pro aliquo – auf Abwesendes verweisen, sie sind aber immer auch das Ding selbst. Sie sind keine rein arbiträren Zeichen wie zum Beispiel die meisten Wörter, sondern besitzen eine starke materielle und situative Bindung. Als solche sperren sie sich gegen eine Reduktion zu rein sprachlichen Zeichen. Es stellt sich die Frage nach der Bezugnahme (N. Goodman) in Architektur und Design. Wie wird im Design eigentlich Bezug genommen? Trivial gefragt: Wie kommt die Bedeutung ins Ding? Was heißt Repräsentation in der Architektur? Für was steht das Design? Welche Rolle spielt Material und Situation, aber auch Geschichte und Gesellschaft für die Zeichenkonstitution in Architektur und Design? 


Permanent interpretieren wir im Alltag unsere Umgebung, bewusst oder unbewusst, und richten unser Verhalten daran aus. Anders als Saussure unterscheidet Peirce sprachliche von nicht-sprachlichen Zeichen, was geeignet erscheint, die Besonderheiten der Zeichenver-wendungen in Architektur und Design zu modellieren. Gerade mit Peirce gilt, dass das Zeichenverstehen immer mit den phänome-nalen Qualitäten und der situativen Erschei-nung der Zeichen zusammenhängt. Und gerade das macht die Besonderheit des Zeichenverstehens in Architektur und Design aus: Architektonische Zeichen verweisen nicht nur auf Anderes, Abwesendes und Drittes, sondern zeichnen sich durch materielle Präsenz und situative Erscheinung im Alltag aus. Zeichenverstehen und Handlungsvollzug sind aufeinander bezogen. Und mehr noch: Im Zeichenverstehen kommen uns die Dinge nahe, sie berühren uns emotional. Wie kann man das beschreiben? Was passiert da genau? Wie können Zeichen in Handlung umschla-gen? Was bedeutet das für die entwerferische Praxis des Architekten oder Designers?


Architektur und Design bringen aber immer auch etwas zur Sichtbarkeit, was sich auch vom reinen Zeichenverweis auf Anderes, Abwesen-des und Drittes unterscheidet. Denn als ein Hergestelltes zeigt sich in ihrer Gestalt – im Sinne von Aristoteles’ Hylemorphismus – auch das Gemacht-Sein, d. h. der Herstellungspro-zess selbst. Dieser bleibt immer – wenn auch noch so subtil – ablesbar, was aber nicht nur in materieller Hinsicht gilt, sondern auch für die konzeptuellen, historischen und allgemein kulturellen Bedingungen des Herstellungspro-zesses. Es zeigt sich – reflexiv – etwas im Design. Auch hier die Frage: Was genau zeigt sich im Design? Und wie zeigt es sich? 


So könnte man sagen, dass die Dinge Durchgangs- und Kreuzungspunkte ganz unterschiedlicher Zeichenprozesse sind. Design ist Symptom. Was ist dann genau das Spezifische, was Architektur und Design unterscheidet von anderen kulturellen Prakti-ken und ihren Arten der Bezugnahme? Es stellt sich die Frage nach dem Zeigen und Sich-Zeigen in den Objekten, nach dem Verhältnis von Dingen, Zeichen und ihren Wirkungen in Architektur und Design.


Die Konferenz Symptom Design – Dinge, Zeichen und ihre Wirkungen lädt namhafte Designer und Architekten und Persönlichkei-ten aus Philosophie, Sprachwissenschaften, Design- und Architekturtheorie nach Bozen ein, um die Frage nach dem Design als leben-diges Symptom der Gegenwartskultur zu stellen. Die Konferenz wird durch einen dreitägigen Entwurfsworkshop für Studierende der Fakultät Design und Künste ergänzt. Hier soll der Versuch gemacht werden, die theoretischen Erkenntnisse auf ihre Relevanz für die praktische Entwurfsarbeit zu befragen. 


Die Konferenz findet am 14. und 15. Mai 2012 statt, der Workshop anschließend vom 15. bis 17. Mai. Die Konferenz wird von Prof. Dr. Jörg Gleiter und Dipl.-Ing. Jan Bovelet M.A. konzipiert und durchgeführt, der Workshop von Prof. Antonino Benincasa und Prof. Christian Upmeier organisiert. Für Universitätsangehörige ist die Teilnahme kostenlos, für alle anderen wird für Konferenzmaterial, Mittagessen und Kaffee ein Unkostenbeitrag von 50 € erhoben.




Bozen, 25. Februar 2012         
Jörg H. Gleiter

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