Digital. Material. Structural. Ornament TodayAm 31. Mai und 1. Juni 2010 findet in Bozen an der Fakultät für Design und Künste die internationale Konferenz Digital. Material. Structural: Ornament Today statt. Sie wird organisiert von Prof. Dr.-Ing. habil. Jörg H. Gleiter.
Die Konferenz lädt internationale Designer, Architekten und Künstler sowie Theoretiker, Kulturwissenschaftler und Philosophen ein, um aus der Perspektive der Praxis, der Theorie, der Ästhetik und der Medienpsychologie die Frage nach dem neuen Ornament im digitalen Zeitalter zu stellen.
Die Referenten werden aus den USA, der Schweiz, den Niederlanden, Deutschland und Italien kommen. Die Konferenzsprachen sind Deutsch und Italienisch. Alle Beiträge werden simultan in die jeweils andere Sprache gedolmetscht.
Die Ornamentdebatten sind neu entflammt. Mit der Wende zum digitalen Zeitalter kehrt in Design, Architektur und Kunst zurück, was noch zu Beginn des Maschinenzeitalters abgeschafft werden sollte: Das Ornament. Die Rückkehr des Ornaments ist Zeichen eines grundlegenden Wandels. Am Ornament scheiden sich die Geister, aber weniger im Sinne des Geschmacks, als dass sich an ihm die zentralen gestalterischen Fragestellungen auskristallisieren. Das Ornament ist der Kampfplatz von Theorie und Praxis.
„Vorwärts zur Tradition! Das Ornament ist tot! Lang lebe das Ornament!“ Es war nicht irgendjemand, der dies in den 30er Jahren halb ironisch, halb ernst proklamierte: Es war Walter Gropius, Gründer und langjähriger Direktor des staatlichen Bauhauses in Weimar und Dessau. Ambivalent ist die Stellung der Moderne zum Ornament, in ihr zeigt sich die innere Spannung und Dynamik der Moderne selbst. Vorwärts zur Tradition: Das heißt soviel, dass das Ornament in seiner Widersprüchlichkeit die treibende Kraft, das eigentlich dynamische Prinzip der Moderne ist!
In der Tat, heute ist das Ornament wieder zurückgekehrt – in fast schon skandalöser Unbekümmertheit und Frische. Es zeigt sich dabei nicht nur in den Oberflächenerscheinungen der Werbung, der Mode und des Produktdesigns, sondern auch in den Raumornamenten und computergenerierten Entwurfsverfahren der Architektur, ebenso wie in der virtuellen Objektwelt der Bildschirme und Medienfassaden. Großes Aufatmen unter den Designern, da die Abschaffung des Ornaments bisher zum Gründungsmythos der Moderne gehörte, jener Moderne, die bis heute Grundlage unserer Kultur schlechthin ist. So wird die Rückkehr des Verdrängten vielerorts als Befreiung, als ein Stück Emanzipation erfahren. Als ob nun endlich wieder alle Mittel, wirklich alle Mittel der Gestaltung ohne Tabu zur Verfügung stünden.
Aber war das Ornament je ganz verschwunden? Verdrängt ja, aber konnte es je abgeschafft oder gar liquidiert werden? Wir mögen die postmodernen Ornamente der 80er Jahre als Rückfall in den Historismus abtun, aber haben wir die großformatig-geometrischen, orange- und ockerfarbenen Muster des 70er-Jahre-Designs gänzlich vergessen, oder die strukturalen Ornamente der Architektur der 60er Jahre, die Pop-Art, die ornamentalen Muster der Op-Art und der Konkreten Kunst sowie die generative Ästhetik des frühen Computerzeitalters? Ornament – Struktur – Muster, aus dieser Perspektive entsteht dann ein anderes Bild: Die Moderne hat keineswegs das Ornament überwunden, im Gegenteil, die Moderne thematisiert gerade das, was bis ins 19. Jahrhundert selbstverständlich war, an dem sich aber immer wieder aufs Neue der Status der Kultur zeigt: Das Ornament.
Bozen, 15. November 2009
Jörg H. Gleiter