24 Schwarzdrosseln

2. Verhör mit Mrs. Amelia (Haushälterin des Toden)

Kingston Hill war sein nächstes Ziel. Nach einigen Mühen und gut gelaunter Hartnäckigkeit erhielt er ein Interview mit Amelia, der Köchin und Haushälterin des kürzlich verstorbenen Anthony Gascoigne. Anfangs war sie voll Misstrauen und sehr reserviert, aber der Charme und die Herzlichkeit dieses merkwürdigen Ausländers hätten auch einen Stein erweicht. Mrs. Amelia wurde immer aufgeschlossener.
Wie schon so viele Frauen vor ihr schüttete sie ihr Herz einem wirklich teilnahmsvollen Zuhörer aus. Vierzehn Jahre lang hatte sie für Mr. Gascoigne den Haushalt geführt. – Es war keine leichte Sache gewesen. O nein, wirklich nicht! So manche Frau wäre unter der Bürde, die sie zu tragen hatte, zusammengebrochen. Der alte Herr war exzentrisch. Er verheimlichte es auch nicht. Dazu war er bemerkenswert geizig, es war bei ihm eine Art Sucht. Dabei war er doch so reich. Trotzdem hatte Mrs. Amelia ihm treu gedient, hatte all seine Grillen ertragen und hatte natürlich auch zumindest eine Geste des Dankes erwartet.
Aber nein, nichts dergleichen. Es existiert nur ein altes Testament, in dem er all sein Geld seiner Frau oder, falls sie ihn nicht überlebte, seinem Bruder
Henry vermachte. Schon vor Jahren hatte er das Testament aufgesetzt. Und es erschien ihr sehr ungerecht!
Allmählich gelang es
Hercule Poirot, sie von ihrem Hauptthema, ihrer unbefriedigten Gier, abzubringen. Es war tatsächlich herzlos und ungerecht, ja, ja, da hatte sie ganz Recht! Man konnte Mrs. Amelia nicht verdenken, dass sie verletzt und empört war. Mr. Gascoigne war für seinen Geiz sehr bekannt gewesen. Man erzählte sich sogar, dass er selbst seinem einzigen Bruder nicht einmal geholfen hätte. Wahrscheinlich wusste Mrs. Amelia darüber Bescheid.
„Dann war das also der Grund, weshalb Dr. Lorrimer ihn besuchte?“, fragte Mrs. Amelia. „Ich wusste, dass es irgendetwas mit seinem Bruder zu tun hatte, aber ich dachte, er wollte sich nur aussöhnen. Sie hatten sich vor Jahren zerstritten.“
„Ich habe erfahren“,
sagte Poirot, „dass Mr. Gascoigne sich entschieden weigerte?“
„Das ist völlig richtig“
, stimmte ihm Mrs. Amelia zu. „<Henry>“, sagte er ziemlich schwach, „<was soll ich mit Henry? Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen, und ich will ihn auch in Zukunft nicht sehen. Henry ist zänkisch.> Das war alles, was er dazu gesagt hat.“
Die Unterhaltung wandte sich
dann wieder Mrs. Amelias eigenen Kümmernissen zu. Man sprach auch vom Rechtsanwalt des kürzlich verstorbenen Mr. Gascoigne, der ebenfalls für sie kein Verständnis zeigte.
Mit einiger Mühe gelang es schließlich Hercule Poirot, sich zu verabschieden, ohne die Unterhaltung zu abrupt abzubrechen.


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