24 Schwarzdrosseln

3. Verhör mit Dr. George Lorrimer (Neffe des Toden)

Kurz nach dem Abendessen stand Hercule Poirot vor der Wohnung des Dr. George Lorrimer in Elmcrest, Dorster Road, Wimbledon.
Der Arzt war zu Hause, und Poirot wurde in die Praxis geführt. Dr. George Lorrimer begrüßte ihn freundlich. Anscheinend war er gerade vom Abendbrottisch aufgestanden.

„Ich bin kein Patient, Herr Doktor“, sagte Hercule Poirot. „Mein Besuch mag vielleicht aufdringlich erscheinen, aber ich bin ein alter Mann, und ich glaubt daran, dass man schnell, offen und ehrlich handeln soll. Ich mache mir nichts aus Rechtsanwälten und ihren überaus umständlichen Verhandlungsmethoden.“
Er hatte zweifellos das Interesse Lorrimers geweckt. Der Arzt war mittelgroß und makellos rasiert. Er hatte braunes Haar, seine Wimpern waren allerdings beinahe weiß, was seine Augen ein blasses, farbloses Aussehen verlieh. Er gab sich lebhaft und humor
voll.
„Rechtsanwälte?“, fragte er und hob die Augenbrauen.
„Ich hasse diese Burschen. Sie erwecken meine Neugier, mein Herr. Aber bitte, setzen Sie sich doch.“
Poirot setzte sich, holte eine seiner dienstlichen Visitenkarten heraus und reichte sie dem Arzt.
George Lorrimers weiße Wimpern zuckten.
Poirot beugte sich vertraulich vor.
„Ein großer Teil meiner Klienten sind Frauen“, sagte er.
„Natürlich“, sagte Dr. Lorrimer verstört und zwinkerte flüchtig mit den Augen.
„Sie haben mit Ihrem <natürlich> ganz Recht“, stimmte ihm Poirot bei. „Frauen trauen der Polizei nicht, sie bevorzugen Detektive. Sie wollen nicht, dass ihre Probleme an die Öffentlichkeit dringen. Vor einigen Tagen kam eine ältere Dame zu mir. Sie machte sich Sorgen wegen ihres Mannes, mit dem sie sich vor Jahren zerstritten hatte. Dieser Mann war Ihr Onkel, Mr. Gascoigne, der erste vor kurzem gestorben ist.“
George Lorrimers Gesicht lief dunkelrot an.

„Mein Onkel? Unsinn! Seine Frau starb vor vielen Jahren.“
„Ich meine nicht Ihren Onkel
Mr. Anthony Gascoigne, sondern Ihren Onkel Mr. Henry Gascoigne.“
„Onkel Henry? Aber der war doch gar nicht verheiratet!“
„O doch, natürlich war er das“
, log Hercule Poirot, ohne rot zu werden. „Daran besteht gar kein Zweifel. Die Dame brachte sogar ihre Heiratsurkunde mit.“
„Das ist eine Lüge!“
, schrie George Lorrimer. Sein Gesicht war nun krebsrot. „Ich glaube das nicht. Sie sind ein unverschämter Lügner.“
„Es ist zu schade, nicht wahr?“
, sagte Poirot. „Sie haben ganz umsonst einen Mord begangen.“
„Mord?“
Lorrimes Stimme zitterte. Aus seinen Augen starrte Entsetzen.
„Übrigens“, sagte Poirot, „ich sehe, Sie haben wieder Brombeertorte gegessen. Das ist eine unvernünftige Angewohnheit. Man sagt zwar, dass Brombeeren sehr viele Vitamine enthalten, aber andererseits können sie auch tödlich wirken. Diesmal habe ich so ziemlich den Eindruck, dass sie dazu beitragen, den Strick um den Hals eines Mannes zu legen um Ihren Hals nämlich, Dr. Lorrimer.“


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