24 Schwarzdrosseln

Die Lösung des Falls

„Wenn du erst einmal weißt, was los ist, bekommst du auch gewöhnlich heraus, was du wissen willst. Henry war zwei Stunden nach einer Mahlzeit gestorben. Mit dieser Feststellung begnügte sich die Untersuchung. Aber man könnte sich auch vorstellen, dass diese Mahlzeit nicht abends, sondern mittags eingenommen wurde. Versetz dich in Georges Lage. George braucht dringend Geld. Anthony Gascoigne liegt im Sterben, aber sein Tod nützt George nichts. Das Geld erbt Henry, und Henry Gascoigne kann noch Jahre leben. Daher muss auch Henry sterben, und je schneller, umso besser. Aber er muss nach Anthony sterben, und zur gleichen zeit muss George ein Alibi haben. Da er ein vorsichtiger Bursche ist, probt er erst einmal seinen Plan durch. Er spielt die Rolle seines Onkels am Montagabend in dem betreffenden Restaurant. Es klappt alles tadellos. Jeder hält ihn für den Onkel. Er ist zufrieden. Er braucht nur so lange zu warten, bis Onkel Anthony endlich soweit ist und stirbt. Der Zeitpunkt kommt. Er schreibt am zweiten November nachmittags einen Brief an seinen Onkel und führt seinen Plan aus. Er gibt dem Onkel Henry einen starken Stoß, und schon fällt er die Treppe hinunter. George sucht nach dem Brief, den er geschrieben hat, und den schiebt er in die Morgenmanteltasche seines Onkels. Um halb acht ist er im „Gallant Endeavour“, der Bart, die buschigen Augenbrauen, alles ist perfekt. Man hegt keine Zweifel: Mr. Henry Gascoigne lebt noch um diese Zeit. Dann vollzieht sich eine schnelle Metamorphose in der Toilette, und zurück geht´s im Eiltempo nach Wimbledon zu einem Bridge-Abend. Das Alibi ist perfekt.“
Mr. Bonnington sah ihn an. „
Aber der Stempel auf dem Brief?“
„Oh, das war einfach. Der Stempel war verschmiert. Warum? Er war mit Ausziehtusche vom zweiten auf den dritten November geändert worden. Du hättest es nicht bemerkt, wenn du nicht danach gesucht hättest. Und dann war da noch die Sache mit den Schwarzdrosseln.“
„Schwarzdrosseln?“
„Vierundzwanzig Schwarzdrosseln in Pastete gebacken. So nennt man doch bei euch hier die Brombeeren. Gut, sagen wir Brombeeren, wenn du ganz genau sein willst. Du musst wissen, Georges Schauspielkunst hat trotz allem nicht gereicht. Erinnerst du dich noch an die Geschichte mit dem Jungen, der sich mit schwarzer Farbe anmalte, um Othello zu spielen? Du musst ein so guter Schauspieler sein wie er, wenn du ein perfektes Verbrechen begehen willst. George sah wie sein Onkel aus, er ging wie sein Onkel und sprach wie sein Onkel, und er trug den Bart und die Augenbrauen seines Onkels, aber – er vergaß, wie sein Onkel zu essen. Er bestellte sich, was er selbst gerne aß. Brombeeren nämlich, und Brombeeren verfärben die Zähne. Die Zähne der Leiche waren aber nicht verfärbt, und trotzdem aß Henry Gascoigne an diesem Abend Brombeeren im „Gallant Endeavour“. In seinem Magen fand man keine Brombeeren. Ich erkundigte mich heute Morgen danach. Und George war so dumm gewesen, den Bart und den Rest der Aufmachung zu behalten. Oh! Es gibt eine Menge Beweismaterial, wenn man erst einmal danach sucht. Ich besuchte George und brachte ihn aus der Fassung. Und das war das Ende. Er aß übrigens schon wieder Brombeeren. Der Bursche ist vielleicht gierig – er isst gerne. Eh bien, wenn ich mich nicht sehr täusche, wird diese Gier ihn jetzt an den Galgen bringen.“

Die
Kellnerin brachte ihnen zwei Portionen Brombeer-Apfeltorte.
„Nehmen Sie die Torte bitte wieder mit“, sagte Mr. Bonnington. „Man kann nie vorsichtig genug sein. Bringen Sie mir eine kleine Portion Sagopudding.“


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