„Wenn du erst einmal weißt, was los ist,
bekommst du auch gewöhnlich heraus, was du wissen willst. Henry
war zwei Stunden nach einer Mahlzeit gestorben. Mit dieser Feststellung
begnügte sich die Untersuchung. Aber man könnte sich auch vorstellen,
dass diese Mahlzeit nicht abends, sondern mittags eingenommen wurde. Versetz
dich in Georges
Lage. George braucht dringend Geld. Anthony
Gascoigne liegt im Sterben, aber sein Tod nützt
George nichts. Das Geld erbt Henry, und Henry Gascoigne kann noch Jahre
leben. Daher muss auch Henry sterben, und je schneller, umso besser. Aber
er muss nach Anthony sterben, und zur gleichen zeit muss George ein Alibi
haben. Da er ein vorsichtiger Bursche ist, probt er erst einmal seinen Plan
durch. Er spielt die Rolle seines Onkels am Montagabend in dem betreffenden
Restaurant. Es klappt alles tadellos. Jeder hält ihn für den Onkel.
Er ist zufrieden. Er braucht nur so lange zu warten, bis Onkel Anthony endlich
soweit ist und stirbt. Der Zeitpunkt kommt. Er schreibt am zweiten November
nachmittags einen Brief an seinen Onkel und führt seinen Plan aus.
Er gibt dem Onkel Henry einen starken Stoß, und schon fällt er
die Treppe hinunter. George sucht nach dem Brief, den er geschrieben hat,
und den schiebt er in die Morgenmanteltasche seines Onkels. Um halb acht
ist er im „Gallant Endeavour“, der Bart, die buschigen Augenbrauen,
alles ist perfekt. Man hegt keine Zweifel: Mr. Henry Gascoigne lebt noch
um diese Zeit. Dann vollzieht sich eine schnelle Metamorphose in der Toilette,
und zurück geht´s im Eiltempo nach Wimbledon zu einem Bridge-Abend.
Das Alibi ist perfekt.“
Mr. Bonnington sah ihn an. „Aber der Stempel
auf dem Brief?“
„Oh, das war einfach. Der Stempel war verschmiert. Warum? Er war mit
Ausziehtusche vom zweiten auf den dritten November geändert worden.
Du hättest es nicht bemerkt, wenn du nicht danach gesucht hättest.
Und dann war da noch die Sache mit den Schwarzdrosseln.“
„Schwarzdrosseln?“
„Vierundzwanzig Schwarzdrosseln in Pastete gebacken. So nennt man
doch bei euch hier die Brombeeren. Gut, sagen wir Brombeeren, wenn du ganz
genau sein willst. Du musst wissen, Georges Schauspielkunst hat trotz allem
nicht gereicht. Erinnerst du dich noch an die Geschichte mit dem Jungen,
der sich mit schwarzer Farbe anmalte, um Othello zu spielen? Du musst ein
so guter Schauspieler sein wie er, wenn du ein perfektes Verbrechen begehen
willst. George sah wie sein Onkel aus, er ging wie sein Onkel und sprach
wie sein Onkel, und er trug den Bart und die Augenbrauen seines Onkels,
aber – er vergaß, wie sein Onkel zu essen. Er bestellte sich,
was er selbst gerne aß. Brombeeren nämlich, und Brombeeren verfärben
die Zähne. Die Zähne der Leiche waren aber nicht verfärbt,
und trotzdem aß Henry Gascoigne an diesem Abend Brombeeren im „Gallant
Endeavour“. In seinem Magen fand man keine Brombeeren. Ich erkundigte
mich heute Morgen danach. Und George war so dumm gewesen, den Bart und den
Rest der Aufmachung zu behalten. Oh! Es gibt eine Menge Beweismaterial,
wenn man erst einmal danach sucht. Ich besuchte George und brachte ihn aus
der Fassung. Und das war das Ende. Er aß übrigens schon wieder
Brombeeren. Der Bursche ist vielleicht gierig – er isst gerne. Eh
bien, wenn ich mich nicht sehr täusche, wird diese Gier ihn jetzt an
den Galgen bringen.“
Die Kellnerin
brachte ihnen zwei Portionen Brombeer-Apfeltorte.
„Nehmen Sie die Torte bitte wieder mit“,
sagte Mr.
Bonnington. „Man
kann nie vorsichtig genug sein. Bringen Sie mir eine kleine Portion Sagopudding.“
Einleitung | Die
Theorie | Wer
ist der Unbekannte?